Ich lade sie recht herzlich ein, Texte, Reime und Gedichte von mir hier zu lesen..

 T U N N E L E R L E B N I S S E

Bescheidene Fortschritte lassen das Licht am Tunnelende immer heller werden. Darüber kann auch die Innenbeleuchtung im Tunnel nicht hinwegtäuschen. Das ferne Licht des Tunnelendes sehe ich am klarsten, wenn mich keine Lichter begleiten oder vor die Nase gehalten werden. Um aber die nächsten Schritte zu machen, brauche ich fremdes Licht oder einen ausgeprägten Tastsinn oder eine Hans die mich führt und begleitet, zu der ich auch Vertrauen habe. Oder ich vertraue keiner Hand. Woher soll ich wissen, ob die mich dann immer gegen die Tunnelwände rasseln lässt.

Vielleicht damit ich schmerzhafte Erfahrungen sammle.  Dann lieber alleine dagegen rennen oder stolpern. In Kurven und Abwegen verliere ich das Licht am Tunnelende aus den Augen. Das macht dann nichts. Es gibt ja auch im Tunnel etwas zu sehen, ohne die Wahrnehmung für das Tunnelende zu verlieren. Häufig reicht auch die Erinnerung , um den richtigen Weg zu finden. Wie breit oder sogar labyrinthartig  der Tunnel ist, weiß ich nicht. Vielleicht haben Menschen an den Wänden Lichter angebracht oder es ist manchmal ganz dunkel. Oder Menschen , Tiere und alle möglichen Wesen tragen Lichter in die unterschiedlichsten Richtungen. In so einem Tunnel läßt sich schon allerhand anstellen. Vielleicht gibt es sogar bunte Lichter ; verführerische Wandgemälde. Ecken in denen man sich verstecken kann und dann vielleicht einen wunderbaren Ausblick auf das Geschehen hat.

Manche, die mit riesigen Schritten den Weg heraus- oder herein finden, halten sich nur zeitweise im Tunnel auf und geben den Tunnelbewohnern, oder denen, die hindurch wollen, einen Eindruck vom Leben an der frischen Luft. Es gibt auch welche, die ab und zu durch den Tunnel hindurch müssen, weil er auf ihrem Weg liegt, oder weil sie die anderen Wege nicht kennen, ihnen zu mühsam sind, oder es im Tunnel interessanter finden. Zeitloser oder sowas. Dabei sind draußen wie drinnen ähnliche verführerische Wandbemalungen. Überall stehen auch Videogeräte und Kartoffelbreiautomaten herum, die ich nach der gewünschten Geschmacksrichtung einstellen kann. Für die Benutzer dieser Geräte ist dann vieles, manchmal alles Geschmackssache.

Fahnen und Transparente werden im Tunnel meisst eingerollt oder in Form und Farbklängen dem Tunnel angepasst. Waffen werden natürlich drinnen und draußen getragen. Einige werden auch an unsichtbaren Fäden und Ketten durch den Tunnel geführt. Andere suchen sich unsichtbare Fäden, und man zeigt ihnen, wie man  damit umgeht. Einige spüren die Ketten überhaupt nicht, anderen sieht man es sofort an ihren Bewegungen an. Froh darüber , das die Fäden und Ketten unsichtbar sind, sind fast alle. Ihre Waffen zeigen einige um so lieber. Es sind  ja manchmal auch sehr interessante dabei. Manche Waffen sind so verrückt, das man sich fragt, wie man damit ernsthaft jemanden verletzen soll. Einige hinterlassen solche Beulen und Flecken, genauso als wenn man dauernd gegn die Tunnelwände rennt. Und welche sehen so furchterregend aus daß man schon beim Betrachten in Angst und Schrecken verfällt. Einige tragen auch gefährliche Klappmesser unter dem Hemd für den Nahkampf. Darüber haben sie dann ein scheinheiliges Amulett hängen oder tragen hübsch bestickte Fähnchen.  Natürlich gehen viele in Gruppen durch den Tunnel. Für die Zusammenstellung dieser Gruppen und als hilfreiche Hände stehen einige zur Verfügung , die auch polizeiliche Vollmachten haben. In einer Gruppe ist es vorgekommen das einer mit einer ganz gefährlich aussehenden , großen, verrückten Waffe, mit der er schon viele erschreckt oder verletzt hatte, die Wut der anderen auf sich zog, was dazu führte, daß dieser immer wilder um sich schlug.

Die unsichtbaren Fäden und Ketten wurden ihm daraufhin enger geschnallt. Seine Waffe hat man ihm aber nicht abnehmen können, und als er damit noch weiter Unfug anrichtete, ließ man ihn dann schließlich mit anderen laufen, die gegen derartige Waffen besser gepanzert sind.

Dann gibt es noch ganz Verrückte, die ab und zu mit der Spitze ihrer Waffen an den Tunnelwänden herumkratzen und schaben und über den Tunnelboden ziehen und dabei allerlei Formen und Zeichen machen. Wobei es unerheblich ist , wie diese Waffe aussieht. Einigen macht diese Kratzerei und Schaberei so viel Freude, das sie dabei ganz vergessen, das sie eine Waffe in der Hand haben. Bis sie dann merken, das man für so etwas nicht unbedingt eine Waffe braucht. Einige sehen sich diese Zeichnungen interessiert an und andere machen mit ihren Waffen und Stöcken richtige Turnierkämpfe mit leidenschaftlichem Imponiergehabe und sind damit dermaßen beschäftigt, das sie anderes nicht mehr wahrnehmen.

Die an den Wänden ihre Zeichen einritzen und malen lassen sich jedoch nicht beirren. Sie entdecken , daß man dafür auch andere Dinge verwenden kann Schuhcreme, Marmelade, Holzkohle waren dafür auch geeignet. Trotzdem waren dann einige, die von dem Kampfeslärm der anderen angesteckt oder weil sie sich um die besten Tunnelwände stritten, dazu gekommen, sich gegenseitig mit ihrer Marmelade und Schuhcreme zu bewerfen.

Manche griffen dann auch wieder zu den ernsteren Waffen. Das erregte dann natürlich auch wieder das Aufsehen der anderen. Etwas deutliches von sich zeigen, taten ja fast alle.  Bis auf die , die in den dunklen Ecken mit den interessanten Blickwinkeln sitzen, die man sieht, wenn man sich bemüht. Fast alle hinterlassen sie Abdrücke auf Wänden , Boden und Körpern.

Aber dann gibt es noch ganz Eigenartige; die wandeln wie auf Federn von einer geistigen Kraft beseelt so durch den Tunnel, daß man glauben könnte, nur sie und nicht auch die vielen anderen wären von geistigen Kräften beseelt.

 

Dez. 1987

 Hans-Jürgen-Hartmann , Der Mensch aus Neestahl

  

 

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